Osaro Jürgen Rich Igbineweka: Er kam als Jungspund und geht als Profi

  • 18. März 2021
Osaro Jürgen Rich Igbineweka.
Fotos: Manningeaux

Es schwingt eine Prise Wehmut mit, wenn Christoph Roquette zurückdenkt. Fünf Jahre mit Osaro Jürgen Rich Igbineweka sind vorüber, fünf Jahre, in denen der von allen nur Jürgen gerufene 22-Jährige eine fast mustergültige Entwicklung nahm, vom hereinschnuppernden Jungspund zum Führungsspieler. „Es ist Wahnsinn, wie die Zeit vergangen ist“, sagt der Sportliche Leiter des SC Rist. „Ich weiß noch, wie ich Jürgen zum allerersten Training in Wedel vom Bahnhof abgeholt habe. Und jetzt am Sonntag ist sein letztes Spiel.“

Gegen Köln schließt Rich Igbineweka mit seinem 90. Pflichtspieleinsatz für den SC Rist seine Lehrzeit ab, es erklingt der Schlussakkord seiner Zeit als Doppellizenzler. „Es war nicht geplant, ich hatte nicht vor, Profi zu werden“, erinnert sich der 22-jährige Lübecker an die Anfangszeit. „Ich bin erst mal nur nach Hamburg gekommen, damit ich mein Abi schaffe. Und dann ist irgendwie eines zum anderen gekommen“, sagt er. Schritt für Schritt ging es voran, doch wie auf dem Feld schienen manche davon sieben Meilen zu messen. Als er im Sommer 2016 in den Wedeler Trainingskader aufgenommen wurde und die NBBL-Mannschaft der Hamburg Towers verstärkte, sorgte Rich Igbineweka bereits in seinem ersten ProB-Einsatz für neugierige Fragen: „Wer ist denn die Nummer 3?“ Acht Punkte beim Debüt gegen Iserlohn im September 2016 zeigten schon: Hier ging ein sehr selbstbewusster junger Spieler zu Werke, der über tolle Anlagen verfügte. „Jürgen hatte noch nicht so die Beherrschung über den Ball und seinen Körper. Auch seine Entscheidungsfindung war noch nicht optimal. Aber das ist normal bei einem jungen, athletischen Spieler, der einfach noch nicht wusste, wohin mit seiner Schnelligkeit und seiner Athletik“, so Roquette.

Die Zusammenarbeit zwischen den Hamburg Towers und dem SC Rist ist auf Talente wie Rich Igbineweka ausgerichtet. Der 22-Jährige ist nicht der erste Schüler dieser Wilhelmsburg-Wedeler Basketball-Ausbildungsstätte, der den Sprung in die Bundesliga schaffte (René Kindzeka und Justus Hollatz lassen grüßen), aber ein weiterer Beleg für deren Wirkungsweise. „Es ist das Schöne, dass wir Jürgen auf dem Weg von der NBBL bis in die BBL begleiten konnten. Das sollte immer unser Ziel sein. Das wird nicht immer klappen, aber in seinem Fall hat es geklappt“, sagt der Sportliche Leiter. Dahinter steckt viel Arbeit, die Rich Igbineweka täglich verrichtet. Was ist zu tun, um die Förderung als Doppellizenzler in höchstmöglichem Maße zu nutzen? „Immer weitermachen“, antwortet Rich Igbineweka. „Es kann sehr anstrengend werden, wenn man immer zwei Spiele am Wochenende und am nächsten Tag wieder Training hat“, sagt er. „Einfach Augen zu und durch. Das muss man als junger Spieler durchstehen. Auf jeden Fall immer Gas geben, weil es nicht selbstverständlich ist, dass man in zwei Teams in der ersten und dritten Liga spielen kann. Das ist echt eine große Ehre. Jede Minute, die du auf dem Feld stehst, 100 Prozent geben und das Beste daraus machen, damit du den Coaches zeigst, dass du es verdient hast, auf dem Feld zu stehen“, gibt Rich Igbineweka preis, mit welcher Einstellung er an die Prüfungen und Herausforderungen als Basketball-Lehrling heranging.

Das Bemühen bestehe immer darin, den jungen Spieler das anzubieten, was in der Zusammenarbeit zwischen den Towers und dem SC Rist an Trainings- und Einsatzmöglichkeiten bestehe und sie zu ermuntern, diese Gelegenheiten wahrzunehmen, so Roquette. „Das hat Jürgen getan. Es liegt immer auch an den Spielern. Wir können das anbieten, aber die Jungs müssen es dann nutzen – und er hat das vollends genutzt. Es ist schön zu sehen, welche Entwicklung er von damals bis heute gegangen ist. Und er hat sich auch immer vollends mit Wedel identifiziert, das hat man gemerkt“, sagt der Sportliche Leiter, ein glühender Verfechter der in der Achse zwischen Inselpark und Steinberg gemeinsam betriebenen Talentförderung. „Das ist der richtige Weg“, findet Roquette. Im Schatten von Rich Igbineweka haben sich längst weitere Nachwuchskräfte in den Vordergrund gespielt. Aber: „Es ist ja nicht selbstverständlich, dass es viele Jungs nach oben schaffen. Aus der JBBL bis in die BBL zu kommen, ist ein schwerer Weg“, betont der Sportliche Leiter.

In fünf Jahren Wedel blieben Rückschläge nicht aus, man denke an den Handbruch, der Rich Igbineweka in der Saison 2019/20 lange zu schaffen machte. Aus der Bahn aber warfen derartige Hindernisse den 22-Jährigen nicht. Mittlerweile – so darf man mit Fug und Recht behaupten – gehört er zu den besten Spielern der ProB. „Jürgen ist unglaublich schnell und athletisch, er ist im Eins-gegen-Eins kaum zu halten. Das hat er von Jahr zu Jahr weiterentwickelt. Da ist jetzt die Erfahrung hinzugekommen, da ist viel Spielpraxis hinzugekommen. Und bei ihm ist immer auch die Spielfreude da“, beschreibt Roquette die Stärken der Nummer drei. Der Grundbaustein seiner Spielweise, so sagt Rich Igbineweka selbst, sei immer noch derselbe wie 2016. „Aber es ist nicht mehr wie vorher, dass ich die ganze Zeit mit dem Kopf durch die Wand gehe und nicht das Spiel lese“, meint er. „Ich habe jetzt viel mehr Erfahrung, dadurch dass ich viel mehr auf dem Feld stehe als vorher. Deswegen würde ich schon sagen, dass ich einen relativ großen Wandel gemacht habe“, so der 22-Jährige.

Sein Schützlinge habe in der nun zu Ende gehenden Saison in seiner Entwicklung noch einmal einen Riesenschritt gemacht, sagte Trainer Benka Barloschky bereits vor Wochen. 19,8 Punkte hat Rich Igbineweka pro Spiel erzielt, Ende Februar in Bernau mit 31 Zählern eine neue persönliche Bestmarke aufgestellt. Er habe Barloschkys Vertrauen gespürt und auch das Bundesliga-Training habe ihn sehr weitergebracht, so der 22-Jährige. Und: Die Abstimmung mit seinen Mitspielern passt, „durch Vertrauen spielst du einfach viel besser“, sagt Rich Igbineweka.

Was auf ihn in der kommenden Saison zukommt, stehe noch in den Sternen, betont er. „Auf jeden Fall werde ich immer sehr positiv zurückblicken“, so der 22-Jährige mit Ablauf seiner Zeit in Wedel. „Ich werde auf jeden Fall alle vermissen. Ich werde mich immer daran erinnern, dass ich das Vertrauen bekommen habe“, sagt er.