1. Herren: Wedeler Niederlage im Auf-und-Ab-Derby

  • 7. November 2020

Eine bis unters Dach gefüllte Steinberghalle, knisternde Stimmung, von den Rängen schallende Anfeuerungsrufe: Die herkömmlichen Zutaten eines Duells unter Nachbarn musste man sich denken, nichts davon traf beim ersten Wedeler Ligaspiel gegen einen HBV-Konkurrenten nach 4221 Tagen Unterbrechung (zuletzt im April 2009 in der Regionalliga gegen Bramfeld) zu. Zuschauer waren in der Steinberghalle keine zugelassen, als die Rister dem Eimsbütteler TV mit 88:91 unterlagen.

Yngve Jentz packt zu: Zwölf Rebounds sicherte er sich gegen den ETV.
Fotos: Johannes Speckner

„Am Ende der regulären Spielzeit war es ein bisschen glücklich, dass wir uns in die Verlängerung gerettet haben“, so Rist-Trainer Benka Barloschky. „In der Verlängerung haben wir einiges richtig gemacht, hatten das Spiel unter Kontrolle. Und dann rebounden wir nicht konsequent genug, haben offensiv nicht die Ruhe und die Konzentration, das Spiel kontrolliert zu Ende zu spielen, sondern erzwingen dann wieder Situationen, sind überhastet, passen den Ball nicht mehr, sondern halten den Ball. Das ist wahnsinnig schade, weil wir die Chance hatten, das Spiel zu gewinnen“, sagte er.

Starker Wedeler Auftakt

Jammal Schmedes per Korbleger und zwei Dreier von Linus Hoffmann brachten die Wedeler mit 8:0 in Führung, Abdulai Abaker erzielte die ersten beiden Punkte für den ETV. Im Angriff lief es beim SC Rist im Anfangsviertel wie am Schnürchen. 13 Mal drückten die Gastgeber von außerhalb der Dreipunktemarkierung ab und trafen fünf Mal. Barloschky: „Wir sind gut ins Spiel hereingekommen, teils weil wir gut und aggressiv verteidigt haben, teils aber auch, weil wir einfach offensiv unsere Würfe getroffen haben. Aber wir haben schon im Laufe des ersten Viertels ein bisschen in der Defense nachgelassen. Das hat sich dann ins zweite Viertel weitergetragen.“

Der Beginn mit Knalleffekt verpuffte im Anschluss an die erste Viertelpause, nun trugen die Vorteile Schwarz und Rot. Eimsbüttel verkürzte auf 32:35, hatte seine Eingewöhnungsphase abgeschlossen und erhöhte die Schlagzahl in der Deckung – mittlerweile auf eine Zonenverteidigung setzend. Die Rister ergingen sich in Ungeduld, warfen überhastet und gaben das Steuer aus der Hand.

Erst schubweise, dann mit nahezu selbstverständlicher Regelmäßigkeit nahm der ETVer Mubarak Salami Fahrt auf, bestimmte zusehends die Angriffe der Gäste. Per Dreier zweieinhalb Minuten vor der Halbzeit drehte er das Geschehen zurück auf Anfang: 35 beide. Leonard Eckmann brachte den ETV voran, Salami legte mit einem energischen Korbleger und folgendem Freiwurf weitere Scheite aufs Feuer. Das hieß: Der Eimsbütteler Turnverband führte nach 20 Spielminuten mit 39:35.

Trotz leerer Halle: Viel Kampf und Leidenschaft

Nach Besprechung und Durchschnaufen in der Umkleide wurde es aus Wedeler Sicht nicht besser, Eimsbüttel setzte sich auf 49:37 ab. Aber in der Rist-Apotheke fand sich ein wirkungsvolles Gegenmittel: Ein 10:0-Lauf sorgte für Linderung und Rückenwind, kurz darauf gelang Osaro Jürgen Rich Igbineweka der Ausgleich. Und auch den Wirkungskreis Salamis schränkte man jetzt besser ein. Dass dem Geschehen aufgrund des Zuschauerverbots gezwungenermaßen äußere Reize abgingen, schlug sich keinesfalls in einem Mangel an Kampfgeist und Einsatz nieder. Auf dem Feld steckte im Nachbarschaftsduell tatsächlich ein eben solches.

In der Schlussphase hatte abermals der ETV die besseren Karten: Von 65:65 auf ein Acht-Punkte-Polster innerhalb von gut zwei Minuten. Rich Igbineweka, Hoffmann und Schmedes bogen das fast in Gänze wieder gerade, verkürzten auf 73:75. Doch Eimsbüttel beeindruckte das kaum. Die Turner von der Bundesstraße besaßen rund 45 Sekunden vor dem Ende mit sechs Zählern Vorsprung beste Aussichten auf einen Sieg. Dass Abaker einen Dreierversuch Rich Igbinewekas sehenswert abräumte, machte eine weitere Chance der Hausherren zunichte, wieder aufzuschließen. Aber die Rister bäumten sich auf: Dank Rich Igbineweka, der einen Korbleger nutzte, und Moritz Krögers Freiwurftreffer war Wedel auf drei Zähler herangerückt und folglich mit der Möglichkeit ausgestattet, vor der Schlusssirene noch etwas gegen die drohende Niederlage auszurichten. Der Erfahrenste nahm sich der Angelegenheit an: Die Spielzeit zeigte noch 6,3 Sekunden an, als Mario Blessing einen Wurf durch die Reuse rauschen ließ, der drei Punkte wert war und den Ausgleich herbeiführte.

Mario Blessing erzwang die Verlängerung.

Verlängerung: Sieg aus der Hand gegeben

In der Verlängerung führte der SC Rist mit 88:82. Jetzt war der ETV in Zugzwang und wusste damit umzugehen. Die Gäste drehten in Person von Abaker und Marcel Hoppe den Spieß um, lagen 24 Sekunden vor dem Ende der Zusatzschicht mit 89:88 in Front. Nach einer Auszeit gelang es den Ristern nicht, den Ball innerhalb der gewährten fünf Sekunden ins Spiel zu bringen. Auf der Gegenseite traf Salami zwei Freiwürfe, die den 88:91-Endstand erbrachten, ein letzter Wedeler Wurf von Rich Igbineweka ging daneben.

War es auf die fehlende Erfahrung der Rister zurückzuführen, dass sie sich den Sieg noch wegschnappen ließen, obwohl sie bereits mit einem Bein im Ziel standen? „Jein“, sagte Barloschky. Einige seiner Talente seien derartigen Situationen teils zum ersten Mal ausgesetzt gewesen, „und das ist natürlich ein Faktor. Da hat man weniger Ruhe, da übersieht man mal was, da ist man mal hastig. Aber das soll keine Ausrede sein, physisch auszuboxen und einfach das zu machen, was wir trainieren. Und das ist das, was ich auch in der Halbzeit bemängelt habe. Es geht nicht darum, besondere Dinge zu machen, ich bin auch nicht enttäuscht, dass wir nicht besser gegen eine Zone angreifen. Wir haben überhaupt noch nicht trainiert, gegen eine Zone anzugreifen. Dass da eine gewisse Verunsicherung entsteht, kann ich verstehen und damit kann ich leben. Womit ich aber nicht leben kann, ist, dass wir uns dadurch so sehr aus dem Konzept bringen lassen, dass wir die anderen Sachen nicht mehr machen, die wir tagtäglich trainieren. Die vergessen wir dann ein bisschen und vernachlässigen sie. Und da darf man nicht die Jugend als Ausrede nutzen. Das kann man auch, wenn man 16 oder 17 Jahre alt ist“, betonte der Trainer, der gegen den ETV auf Alexander Angerer, Aurimas Adomaitis, Hendrik Drescher, Justus Hollatz, Matej Jelovcic und Semjon Weilguny verzichten musste.

  • SC Rist (Punkte): Rich Igbineweka (26), Schmedes (23), Hoffmann (13), Möller (9), Blessing (8), Kröger (6), Jentz (3), Kondo, Paukste, Schrader.