SC Rist macht „Trockentraining“ mit Mindestabstand

  • 10. Juni 2020

Der folgende Bericht von Frederik Büll ist am 10. Juni 2020 im Hamburger Abendblatt erschienen.

Zu wie viel Prozent ist es eigentlich Basketball, der gerade bei den Trainingseinheiten des SC Rist gespielt wird? „Das sind schon 100 Prozent. Die Sportart bleibt ja gleich“, sagt Gregor Prehsl, hauptamtlicher Jugendtrainer des Wedeler Vereins. Allerdings muss der Wiener, seit August 2018 in der Rolandstadt heimisch, dann doch einschränken: „Wir trainieren die Technik und Bewegungsabläufe. Aber eben immer ohne Verteidigung. Es ist quasi gerade ein Trockentraining. Aber das ist immer noch besser als nichts“, sagt der 35 Jahre alte Basketball-Trainer.

Diese sportliche Leere hat er schließlich seit Mitte März bis zum ersten Freiplatztraining am 12. Mai durchmachen müssen. „Ich war trotzdem regelmäßig in der Halle, habe organisatorische Dinge erledigt, die Ablage gemacht oder nach E-Mails geschaut“, erzählt Prehsl. Und er hat individuelle Trainingspläne für seine U10-, U12- und U14-Spieler erstellt. „Da habe ich dann nachgefragt, wer einen Garten hat, ob es einen Basketballkorb gibt und so weiter. Und dann habe ich für jeden, der interessiert war, einen Plan gemacht“, so der Coach, der über 18 Jahre hinweg in seiner Heimat Österreich diversen Teams aller Altersklassen die Faszination Basketball beigebracht hat.

Derzeit gilt für die Wedeler Sportler in der Steinberghalle aufgrund der Corona-Beschränkungen dasselbe, was für alle gilt: Abstand halten, Körperkontakt ist verboten. Eine Sportart wie Basketball, bei der kleinere Rangeleien und Schubser beispielsweise beim Rebound einfach dazugehören, ist derzeit eher zu einer Einzelsportart mutiert.

Erlaubt sind maximal acht Spieler sowie zwei Trainer auf einem Drittel am Steinberg erlaubt. Kurzbesuche auf den anderen Spielflächen sind untersagt. Jeder Spieler nimmt seinen eigenen Ball mit und wartet im Teamverbund auf den Einlass in die Halle. Es stehen Desinfektionsmittel bereit, es gibt derzeit lediglich einen Eingang und einen Ausgang in dieser Spielstätte. Die Trainingseinheit dauert inklusive Betreten und Verlassen der Steinberghalle 90 Minuten. Mittlerweile sind während des Trainings immerhin seit gut zwei Wochen wieder Pässe mit einem festen Spielpartner erlaubt. Für die Einheiten müssen sich die Kinder – oder bei den Jüngsten stellvertretend die Eltern – vorab anmelden.

Das Training der U14-Jungen beginnt mit Korblegern auf fünf Körbe, mit der schwachen Hand. Warteschlangen vor den Körben gilt es zu vermeiden. Bei einem Fehlwurf folgen jeweils drei Liegestütze. „Die derzeit geltenden Bestimmungen machen es einem Coach nicht unbedingt einfacher, weil alles nur über Anweisungen passieren muss“, erklärt Prehsl. Mal eben die Handhaltung beim Wurf oder eine falsche Fußstellung korrigieren – nicht erlaubt. Es gibt Technik-, Wurf-, Dribbling-, Athletik-, Koordinations- und Grundlagenausdauer-Übungen. In einem Teamsport arbeitet derzeit jeder nur an seinen individuellen Fähigkeiten. „Eigentlich lasse ich gern Fastbreaks mit Verteidigung und auch Rebounds trainieren. Ich hoffe, dass sich die Situation bald wieder normalisieren wird“, meint Prehsl.

Mit dieser Hoffnung steht der Exil-Wiener, der zuletzt wie die drei weiteren hauptberuflichen Mitarbeiter des Clubs in Kurzarbeit gehen musste, nicht alleine da. „Mittlerweile können wir jedem Kind pro Woche mindestens ein Basketball-Training anbieten“, sagt Jugendkoordinator Sven Schaffer (36). Bei 21 Mannschaften der Altersklassen U8 bis U18 sind es etwas mehr als 300 Mädchen und Jungen, die in den Wedeler Vereinsfarben gelb und grün den Ball durch den Ring schmeißen. Neben der Steinberghalle können die „Risters“ seit Pfingsten auch an der Moorweg- und Pestalozzi-Schule, sowie in der Sporthalle des Johann-Rist-Gymnasiums und in der Rudolf-Breitscheid-Halle ihrem Sport nachgehen.

„Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Stadt Wedel hat super geklappt“, sagt Schaffer, der das Hygienekonzept des Deutschen Basketball Bundes auf die Gegebenheiten in der Rolandstadt angepasst hatte. Die Politik in Wedel hat allerdings zuletzt für Irritation und auch Verärgerung gesorgt. Seit Jahren kämpfen Basketballer und weitere Sportvereine Wedels für eine weitere Halle und mehr Sportplätze. Zuletzt hieß es, dass bis zur offiziellen Verkündung der Ergebnisse der Sportentwicklungsplanung keine Schritte unternommen werden. Der Plan, statt eines erhofften Erweiterungsbaus der Steinberghalle eine Wohnunterkunft zu bauen, lag damit vorerst auf Eis, bis erneut diskutiert werden kann. Doch nun gab es einen Ratsbeschluss, der von SPD, Grünen und Linken getragen wurde und den vorigen CDU-Antrag letztlich kippte. Sieben Ratsmitglieder, darunter mutmaßlich einige Entscheidungsträger mit konträrer Meinung, fehlten.

„Für uns ist eine groteske Entscheidung. In vier oder sechs Wochen wären die Ergebnisse des Sportentwicklungsplanung veröffentlicht worden. So ein Plan kostet die Stadt Wedel ja auch Geld und wir sind ja auch nicht der einzige Verein in dieser Stadt, der von mehr Sportstätten profitieren würde“, wundert sich die Rist-Vorsitzende Andrea Koschek über das Vorpreschen jener Parteien. Ist damit das letzte Wort gesprochen? „Wir haben dieses Grundstück final verloren. Es ist ein Ratsbeschluss“, so Koschek. Und so ist bei aller Freude über die Lockerungsmaßnahmen, die Stimmung doch ordentlich getrübt. Allerdings sind die Wedeler Basketballer schlechte Neuigkeiten in Bezug auf Hallenkapazitäten ja mittlerweile schon gewohnt. Bisher ist den Verantwortlichen stets nur der Optimismus geblieben. Bliebe das Infektionsgeschehen in Schleswig-Holstein und Hamburg weiterhin so gering, geht Schaffer davon aus, dass die Kontaktsperre „in zwei Wochen Geschichte sein wird“. Wünschenswert wäre es, denn nur Basketball ohne Mindestabstand ist echter Basketball.